Er dreht am Rad
Er dreht am Rad, läuft nicht ganz rund und geht doch ständig nur im Kreis durch den Musiktherapie-Raum. Ich weiß nicht, was heute mit ihm los ist. Er redet vor sich hin und auf sich ein: Noch einmal… wenn du das noch einmal machst! Mein Lieber, so nicht! Schlag nicht, schlag nicht… mit der Hand drückt er seinen Kopf gegen die Wand. Noch einmaaal…
Es fühlt sich an, als würde er mir etwas erzählen, indem er es mir vorspielt. Und gleichzeitig bin ich gar nicht sicher, ob er mich überhaupt sieht.
Doch, jetzt er schaut mich an. Sonst hält er mir seinen Kopf zum Streicheln hin, wenn wir uns sehen, und fragt, ob er brav ist. Heute fragt er mich nicht. Er scheint überzeugt vom Gegenteil zu sein.
Später klagt er über Schmerzen im Fuß. Theatralisch stimmt er in mein „Ojeee“ ein. Es wird melodisch, seufzend. Ein „Mariaaaa“ kommt hinzu. Gemeinsam bedauern wir schrecklich dieses Leid. Ojeeeee... Mariaaaa… das tut weh…
Er geht im Kreis, hält zwischendurch inne. Ein rückversichernder Blick, gemeinsames Seufzen. Nach und nach gesellt sich die Gitarre dazu. Aus melodisch wird harmonisch. Das Leid wird zum Lied.
Irgendwann kann er sich zu mir setzen. Ankommen im geteilten Moment.
Er hat Autismus. Was heißt das schon? Die Diagnose erklärt nicht alles. Es gibt immer noch mindestens einen Grund mehr, warum einer am Rad dreht.