Leon
Leon hat mir von sich erzählt. Zum ersten Mal so richtig. Echt. Von Gefühlen, die in ihm sind. Von Enge und dem Wunsch, zu gehn. Zum Singen kamen wir kaum. Seine Worte hatten heut ihre ganz eigene Melodie. Sie klangen nach Traurigkeit und Enttäuschung. Nach einem starken Willen und viel zu lauten Menschen. Menschen, die nicht hören. Nicht hinhören.
Ich war so froh, dass ich einfach hören darf. Zuhören. Das ist mein Job. Egal ob Melodien, Paukenschläge oder diese wichtigen Worte. Auch Leon war froh. Das konnte ich spüren, als er mich ansah, sich Zeit nahm, um Luft zu holen und die nächsten Worte ins Außen zu bringen. In meinem Innern hab ich Tränen geweint. Nur vom Zuhören. Die hab ich dann später vergossen.
Noch immer hör ich, wie Leon sagt: Weißt du, manchmal wünsch ich mir, ich werde plötzlich ohnmächtig. Und wenn ich wieder aufwache, bin ich in einer anderen Welt.
Ich bin ja eh ein fröhlicher Mensch, sagt er, keine Sorge. Ich krieg das schon hin. Aber es ist schlimm, wenn Freunde nicht zuhören, ja, nicht mal fragen, wie’s mir geht. Früher, das Mobbing in der Schule, das war auch heftig. Nie würde ich eine Freundin haben, weil ich im Rollstuhl sitze. Nie leben, wie ich es will. Mit Zärtlichkeit und Nähe.
Leons Wünsche füllen den Raum. Sie verklingen nicht. In den Liedern, die wir singen, sind sie ganz da. Und so singen wir. Mit den Tränen in uns. Immer wieder.