Manuel
Nie hab ich geschrieben über dich. Dabei hast du mich tief berührt. Heute bist du plötzlich da. Nach unendlich vielen Jahren und Ländern seh ich dich liegen in diesem Bett. So müde und dünn bist du. Geräte piepsen. Ich weiß gar nicht, ob deine oder die der anderen. Überall der Krebs. Überall Kinder. Kinder und du. Gerade erst erwachsen konntest du nicht wachsen. Wie auch, wenn schon das Atmen kaum geht. Immer wenn ich dachte, heute geht gar nichts mehr, wolltest du plötzlich doch ein Lied. Als deine Mutter dabei war, sangst du so laut wie nie. Sogar das Heft mit den Liedern hast du in deinen Händen gehalten und ihr gesagt, sie solle mitsingen, unbedingt.
Mit deinen Liedern warst du schonungslos. Ring of fire! I fell into a burning ring of fire, I went down down down and the flames went higher. Scheiße. Wir haben alle gebrannt. Vor Traurigkeit und Wut.
Ich weiß wirklich nicht, wie deine Mutter das ausgehalten hat. Aber sie war da. Dieses eine Mal. Sonst waren wir allein mit deinen Liedern. Knocking on heavens door! Ich war so unsicher. Du so klar. Und so sangen wir. Immer wieder. So lange, bis ich nicht mehr zu dir durfte. Infektionsgefahr. Keine Besuche mehr. Tod.
Was?
Ja. Dann warst du tot. Wieder brannte ich, vor Traurigkeit und Wut. Vor Wut und Traurigkeit. In deinen Liedern bist du hier. Und immer dann, wenn ich das Wort Hospiz höre. Das hätten wir gebraucht, du und ich. Einen Abschied ohne „betreten verboten“, wenn es einfach Dasein braucht.